Kritik: Inception

Christopher Nolan gilt es das Wunderkind Hollywoods. Er verschaffte Robin Williams neue Charakterzüge (Insomnia) und gab einem toten Kino-Franchise nicht nur seine dunkle geheimnisvolle und schmerzhafte Seele zurück sondern reanimierte es damit zugleich (Batman Begins und The Dark Knight). Nun ist Nolan, anders als z.B. Martin Scorsese, kein Regisseur der soziale Missstände aufdecken möchte oder den eine zeitgeschichtliche Epoche besonders reizt, Nolan ist zumeist ein kühler Erzähler über die Dämonen der Vergangenheit, die jeden von uns irgendwann einmal verfolgen.

Auch Inceptionist im Endeffekt nicht mehr als das, nur das Nolan hier inszenatorisch auf ein Effektfeuerwerk zurück greift, das den Zuschauer visuell einen neuen Orgasmus nach dem anderen beschert. Nun wäre Nolan aber nicht Nolan würde er das alles nicht ganz akribisch und emotionsarm  erklären können, wenn die genaue Begründung auch auszubleiben vermag. DiCaprio spielt Dom Cobb, einen Gauner, der Menschen nicht real, sondern nur in ihren Träumen beraubt. Er schleicht sich in die privatesten Gedanken eines jeden ein und stiehlt das, was sein Auftraggeber haben möchte. Doch gleich zu Beginn ist Cobb auch schon am Ende. Halb tot wird er an einem idyllischen Sandstrand mit spielenden Kindern angeschwemmt. Kaum aufgewacht, spürt er schon den Lauf eines Maschinengewehrs in seinem Rücken. Dom wird abgeführt zu einem alten Mann. Die beiden scheinen sich zu kennen. Woher ist ungewiss und bleibt es auch erst einmal, denn jetzt fängt Nolan an die Vorgeschichte zu dieser Szene zu erzählen.

Dom ist gerade mitten in einem „Job“. Es gilt geheime Informationen aus dem Safe eines japanischen Energie-Magnaten (Saito, Ken Watanabe) zu „besorgen“. Doch der Job droht zu scheitern als eine ominöse Frau auf den Plan tritt. Mel, so viel erfahren wir schon einmal, stand irgendwann in einer sehr intimen Verbindung mit Dom. Von Kindern ist die Rede und von Misstrauen. Mehr Zeit zum Reden gibt es nicht, schließlich droht die Traumwelt, in die sich Dom zusammen mit seinem Kollegen Arthur (Jospeh Gordon-Levitt) hinein geschlichen haben, gerade sprichwörtlich zu zerbrechen. Der Job droht sich selbst zu exekutieren. Doch gerade als alles zusammen fällt und Saito sich selbst in einer weiteren Traumebene nicht zur Preisgabe der Informationen zwingen lassen will, tut sich für Dom eine neue Perspektive auf. Saito bietet ihm an, dafür zu sorgen, dass er endlich wieder in die USA zu seinen Kindern einreisen kann. Dom, verzweifelt durch die Isolation von seinen Kindern, nimmt den Auftrag an.

Seine verlassenen Kinder und Mel, seine Ex-Frau, das sind die Schatten, welche Dom verfolgen. Mel hat er schon verloren, seine Kinder droht er zu verlieren. Saito ist sein einziger Ausweg. Doch der Auftrag ist schwierig. Um das zu bekommen was Saito will, muss Dom nicht nur in den Traum seines Opfers, dem Erben eines riesigen Energieunternehmens, gelangen, sondern ihn in einem selbst konstruierten Traum davon überzeugen, das Erbe seines Vaters nicht einzugehen. Diese Methode, einer Personen einen fremdem Traum als ihren eigenen zu verkaufen, nennt man Inception. Sie gilt als fast unmöglich durchführbar und trotzdem muss es Dom versuchen. Dass ihn dieser Auftrag an das Limit seiner eigenen Belastbarkeit treiben wird, ist dann auch der Treibstoff, der den Film am laufen hält.

Was nun kommt ist eine Dissertation über das Wie, das Dafür und das Dagegen der Traummanipulation. Rein inhaltlich sucht Dom zusammen mit Arthur sein Team zusammen, rein faktisch betrachtet erklärt Nolan hier fast täuschend präzise, wie Träume infiltriert und kreiert werden. Täuschend deshalb, weil er nur an der Oberfläche kratzt. Welche Fähigkeiten man braucht lässt er offen, genauso wie eine Herkunftsgeschichte der Inception. Es wird also viel erklärt ohne wirklich viel zu sagen. Lange Dialogszenen werden mit optisch opulenten Aha-Effekten kaschiert. Da kippt schon einmal eine Straße gen Himmel, oder ein ganzes Stadtviertel hebt sich als Firmament empor. Nolan nimmt sich auch nur an dieser Stelle des Films zumindest ein paar Minuten Zeit, den Nebencharakteren etwas mehr Profil zu geben. Die restliche Zeit spielen sie eher als Statisten die Puppen in einem Masterplan, in dem DiCaprios Charakter der Meister der Puppen ist.

Denn trotz all der Effektorgien, trotz des innovativen Grundcharakters der Handlung, geht es Nolan im Grunde nur darum, DiCaprios Charakter erst beim Scheitern, dann bei der eigenen Katharsis und zum Schluss bei der Genesis zu beobachten. Er versteift sich dabei so sehr in Doms Geschichte, in der Mel dessen ultimative Nemesis verkörpert, dass er in seinem Erklärungswahn einen sehr großen Fehler begeht: Nolan verrät nach gut einer Stunde Spielzeit das Ende seines Films. Es ist ein kleiner Nebensatz in einer der unzähligen Debatten darüber, wie gefährlich die Inception wirklich ist, doch er erklärt die Anfangsszene des Films so präzise und kühl, wie Nolan den ganzen Film über zu erzählen pflegt.

Ab hier verkommt die grandios und atemberaubend inszeniert Action zu einem Zirkus. Sie dient nur mehr der optischen Kaschierung einer Geschichte, die versucht noch etwas Neues zu erzählen, wo es nichts mehr zu erzählen gibt. Nolan hat sich selbst ins Abseits manövriert, denn die Gewissheit über das Ende seiner Geschichte voller Illusionen und Versteckspielereien, macht dann auch die durchaus facettenreiche persönliche Tragödie Doms zu einer Farce. Schließlich weiß der Zuschauer schon über dessen weiteren Verlauf. Zwar versucht Nolan am Ende mit einer einzigen Einstellung und einem sehr zentralen Objekt des Films dem Plot doch noch seine Ungewissheit zurück zu schenken. Doch kommt diese Konfusion des Zuschauers viel zu spät, um wieder gut zu machen, was bis dahin geschehen ist. Kurzum: enttäuschend.