Gute Dokumentation fangen meistens mit einer einfachen Frage an. Bei Bill Maher, Ex-US-Comedystar und Late-Night-Talker, und Larry Charles, u.a. Regisseur der Anarcho-Psyeudo-Dokumentation „Borat, geht es ebenso simpel los. „Wie kann ein rational denkender Mensch an soetwas wie die unbeflekte Empfängniss oder schlicht an die Existenz eines Gottes glauben?“ Diese Frage bildet das Kernthema einer Dokumentation, die mit bissigen Fragen aufwartet und sich manchmal nicht so ernst nimmt, genauso wenig, wie sie ihren Prota- und Antagonisten dabei diffamiert oder beleidigt.
Bill Maher spielt dabei den charismatischen, witzigen aber auch unbequemen Moderator durch eine religiöse Landschaft, die geprägt ist von Halbwissen, religiösen Dogmatismus und blindem Irrglauben. Im Grunde geht es Maher dabei immer um die oben schon erwähnte Ausgangsfrage. Was „Religulous“ dabei so unterhaltsam macht ist die Tatsache, dass Maher keine zufriedenstellende Antwort bekommt und seine Gesprächspartner mit einfachen Fragen schon aus dem Konzept bringt.
Natürlich haben Fragen wie „Warum lässt euer Gott Ausschwitz oder Kriege zu?“ oder „Warum sind »Du sollst Kinder nicht missbrauchen«, »Du sollst nicht foltern« und »Du sollst nicht vergewaltigen« keine christlichen Gebote? einen suggestiven Unterton. Witzig ist es trotzdem, wenn dann z.B. Mark Pryor, evangelikaler Christ und demokratischer Senator des Bundesstaates Arkansas, auf eine solche Frage sichtlich hilflos antwortet: „Um Senator zu werden, müssen Sie keinen IQ-Test bestehen.“ Auch wird demonstriert, wie auch intelligente Menschen nicht vor religiöser Blindheit gefeit sind. Während die einfach gestrikten Herren aus der Trucker-Kapelle in den ersten zehn Minuten der Dokumentation Gott hauptsächlich als Stütze in ihrem Leben brauchen und ihre Antworten in diesem Sinne meist kaum über Nullaussagen und plakatives Achselzucken hinaus gehen, zeigt sich Francis Collins, Leiter des Humangenomprojekts und zum Christentum konvertierter Atheist, bei der Frage nach Gottes Existenz ungefähr genauso hilflos in seinen Antworten. “Jesus hat es gegeben.” – “Nein, das hat es nicht.” – “Es gab Augenzeugen!” – “Keiner, der in der Bibel über ihn geschrieben hat, hat ihn wirklich gekannt”. – “Naja, die sind ja aber nur wenige Jahrzehnte von Augenzeugen entfernt.” Für einen Wissenschaftler eine durchaus fragwürdige Haltung und gar komplette Fehlinterpretation des Wortes „Augenzeuge“.
Maher trifft auf seiner religiösen Fragetour aber durchaus noch strittigere Personen. Da gibt es einen christlichen Aktivisten, der behauptet, die Bibel würde Homosexualität als unnatürlich ansehen, ein Anderer sieht sich sogar als „Reinkarnation“ Jesus´und versucht dies mit einer Argumentation zu belegen, die dermaßen beliebig ist, dass jeder Mensch auf dieser Erde ein Nachfahre Jesu`sein könnte. Mal ganz davon abgesehen, dass man unter der Reinkarnation Jesu etwas anderes versteht als das man mit ihm verwandt ist.
Maher wirft zudem einen kritischen Blick auf die Verknüpfung von Politik und Religion. Nicht zuletzt die Gotteshörigkeit eines George W. Bush fürht Mahler als Beispiel dafür an, dass Religion in der Politik keine zentrale Rolle spielen dürfe und schon gar nicht als Legitimation für politische Entscheidungen dienen darf. Er versucht dabei die scheinbar christlich motivierte Außenpolitik George W. Bushs als das hinzustellen, was sie in Wirklichkeit war: ein Misserfolg.
Von „Religulous“ darf der Zuschauer unterm Strich keine ausgewogene Expertise über den Einfluss von Religionen auf unsere alltägliches Leben erwarten. Viel mehr überzeichnen Maher und Charles alle großen Religionsgruppen als intolerant, gewaltbeherrscht und irrational. Der dabei an den Tag gelegte Dialogwitz, sowie die immanente Ironie gepaart mit einer gewissen Portion Anachrismus machen „Religulous“ zu einer unterhaltsamen, wenngleich auch tendenziösen Dokumentation. Die Quintessenz, dass religiöser Fanatismus und purer Gotteshörigkeit vor allem, aber nicht nur bei politischen Enscheidungen zu komplexen Problemen führen können gibt „Religulous“ dennoch die Berechtigung zumindest als mahnendes Exempel eine gute Figur zu machen.
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