Kino in Kürze # 1 – Der fremde Sohn & Zeiten des Aufruhrs

Aktuell knallt die Filmindustrie uns ja quasi im Wochentakt interessante Filme vor unsere Sinnes- und Gedankenorgane. Zu viele für mich, um sie jetzt in umfangreichen Rezensionen sorgfältig zu sezieren. Eine kleine Kurzübersicht soll an dieser Stelle jedoch etwas Übersicht in den Wust an scheinbar hochqualitativer Filmware geben.

Der fremde Sohn (orig.: The Changeling):

Der fremde Sohn - PosterClint Eastwood mag ein kühler Betrachter und ein sehr präziser Erzähler sein. Das alles kommt dem Film durchaus zu Gute. Die angesprochenen Themen werden ausführlich und klar artikuliert. Machtmissbrauch, Elternliebe und Gerechtigkeit sind die Angelpunkte des Films. Darum herum versucht Eastwood ein Drama zu stricken und scheitert dabei selbst an seinem eigenem narrativen Konzept. Anstatt ein vielschichtiges Familiendrama, bei dem die gesellschaftliche Kritik gekonnt angewoben wird, zu erzählen, verläuft sich Eastwood in klassischen Klischeerollen. Angelina Jolie verkörpert die leidende Mutter mit einer solchen Inbrunst, dass ihr Spiel so gar nicht zur nüchternen Erzählweise Eastwoods passen mag. Diesem wiederum misslingt es, ihrem Charakter ein tiefgründigeres Gesicht zu geben. Ebenso unklar bleibt die Motivation des Kukuks-Kindes.

Clint Eastwood verstrickt sich zuletzt in zu vielen Aspekten seines Werkes, sodass er darüber hinaus das Kernthema seines Films vergisst. Aus diesem Grund wirken viele Ansätze zu oberflächlich, davon „elegant und mit sicherer Hand[…] verschiedene Handlungsstränge, moralische Fragen und Genreelemente zusammen [zu bringen]“ kann in letzter Instanz nicht mehr gesprochen werden. Für mich schon jetzt eine der Enttäuschungen des Jahres.

Zeiten des Aufruhrs (orig: Revolutionary Road)

Zeiten des Aufruhrs - PosterSam Mendes ist und bleibt einer der Regisseure Amerikas, die am besten die Gefühle, Sehnsüchte und Probleme dieser Nation potraitieren können.

In „Zeiten des Aufruhrs“ konstruiert Mendes geschickt das Drama einer typischen amerikanischen Mittelstandsfamilie der 50er und 60er Jahre. Durchaus mit Kalkül demontiert er dabei das als „Filmliebespaar des ausgehenden Jahrhunderts“ betitelte Schauspieler-Päarchen Kate Winselt und Leonarde DiCaprio. Anstatt von unstillbarer und sozialer Grenzen durchbrechender Liebe wie in „Titanic“ zeichnet sich die Beziehung des Ehepaares Wheller durch Monotonie und Entfremdung aus.  Mendes`Darstellung dieses Päarchens ist durchaus intensiv. Trotzdem ist „Zeiten des Aufruhrs“ dann am unheimlichsten und spannendsten, wenn der Film an sich leise vor sich hin läuft. Der Zuschauer wartet fast schon kalkulierend darauf, wann die Fassade des beschaulichen Vorstadt-Lebens erneut aufbricht und sich die Probleme einer zum Scheitern verurteilten Ehe offenbaren. Zielstrebig und logisch zeigt Mendes die sozialen Zwänge und den daraus entstehenden Konflikt des Ehepaares Wheller auf. „Zeiten des Aufruhrs“ beschäftigt sich dabei mit der Monotonie der Arbeitswelt, den finanziellen Abstiegsängsten und der Aufgabe der eigenen Ideale innerhalb einer Gesellschaft die nach Außen hin keine Mängel zeigt und ein fröhliches und erstrebenswertes Leben propagiert. Für mich eein Pflichtvisite im Kino.

The Wrestler

The WrestlerGroße Filme brauchen keine epische Handlung. Mickey Rourkes alias Randy „The Ram“ Robinsons Handlungsraum gleicht eher dem einer Gefängniszelle, als der eines freien Mannes, der die Möglichkeiten hat, sein Leben frei zu gestalten. In den 80er Jahren war „The Ram“ ein berühmter Wrestler und kämpfte vor 10.000 Besuchern in großen Hallen und für Millionen Zuschauer an ihren heimischen Fernsehgeräten. Gut 20 Jahre später ist von diesem Ruhm nur noch ein klein wenig übrig geblieben. Randys Leben beschränkt sich auf kleine Auftritte in mittelmäßig besuchten Turnhallen, dem obligatorischen Fitnesstraining und regelmäßigen Besuchen des Sonnenstudios. Sein einziger sozialer Kontakt ist die Stripperin Cassidy (wunderbar authentisch gespielt von Marisa Tomei), die er hin und wieder besucht um ihr während eines privaten Lapdance seine Sorgen auszuschütten. Da die Einnahmen aus seinen Wrestling-Shows alleine nicht mehr ausreichen um die Miete für seinen Wohnwagen zu bezahlen übernimmt Randy zudem kleine Aushilfsjobs in einem benachbarten Supermarkt.

Randy scheint am Boden zu sein, doch für ihn birgt dieser Lebensstil immer noch einen gewissen Reiz. Seine Bestätigung bekommt er nach wie vor im Ring, wo er immer noch als der alte Superstar gefeiert wird, der er schon längst nicht mehr ist. Der Rest seines Lebens spielt sich weitestgehend in geregelten Bahnen ab. All dies ändert sich jedoch schlagartig als Randy nach einem besonders harten Match zusammenbricht und einen Herzinfarkt erleidet. Für ihn bedeutet das das Ende seiner Wrestlingkarriere, da ihm sein Arzt davon abrät jemals wieder in den Ring zu steigen, außer er möchte einen weiteren, diesmal sicherlich tödlichen Herzinfarkt erleiden.

Für Randy offenbart sich nun das, was dem Zuschauer eigentlich nach den ersten zehn Minuten des Films schon klar war: sein Leben ist inhaltsleer, seine einzige Stütze, das Wrestling, ist weggebrochen und ansonsten bietet sich ihm keine weitere Perspektive. Zu Hause angekommen merkt Randy das erste Mal, dass er nichts weiter als ein alleingelassener Ex-Wrestling-Star ist, mit dem die Welt schon längst abgeschlossen hat. Als auch noch eines seiner Nachbarkinder nach einer Partie seines alten Wrestling-Spiels auf dem NES lieber nach Hause geht um Call of Duty 4 zu spielen, weil es neuer und schöner ist, und er auf einer Versammlung alter Wrestling-Stars mit ansehen muss, wie die ehemaligen Helden mittlerweile erwachsen gewordener Teenager selbst zu Krüppeln verkommen sind, beschließt er sein Leben zu ändern.

Mickey Rourke spielt Randy „The Ram“ Robinson in jeder Sekunde seiner Leinwandpräsenz als einen alternden Mann, dessen einziger Lebensinhalt zerstört und dessen Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit zu einer Farce zu werden droht. Selbst als Randy es glückt mit Hilfe der Stripperin Cassidy wieder Kontakt zu seiner Tochter aufzunehmen, ist dem Zuschauer klar, dass dieses Glück nur von kurzer Dauer sein wird. „The Ram“ mag im Ring ein imposanter und bedeutender Wrestler sein, sein Privatleben stellt dagegen eine Katastrophe dar. Randy hat es nie gelernt soziale Kontakte abseits des Rings aufzubauen oder in seinem Leben einer andere Konstante als das Wrestling zu etablieren. Fast schon ziellos scheint Randy, meist in Closeups oder verwackelten Über-die-Schulter-Einstellungen dargestellt, durch sein Leben zu irren.

Es ist also nur eine Frage der Zeit bis Randy wieder in den Ring steigt, um wenigstens hier noch einmal die Anerkennung zu bekommen, die ihm im wirklichen Leben verweht geblieben ist. Dass er dies am Ende des Films tut und damit sich und seinem Leben einen letzten Auftritt verschafft, zeigt deutlich, wie verletzlich dieser physisch so eindrucksvolle Mann ist. Darren Aronofskys Film darf gerne als Parabel für die Verletzlichkeit der männlichen Seele dienen. The Wrestler gibt einen imposanten Eindruck vom Leben eines Mannes, der alles gehabt hat und sich nur schwer eingestehen kann, nun nichts mehr außer sich selbst zu haben. Es ist ein bedrückendes, düster inszeniertes Drama, das von Mickey Rourkes unglaublicher Leinwandpräsenz und seiner Darstellung Randys als leidenden dahinsiechenden alten Mann lebt und deshalb unbedingt angesehen werden muss.

P.S.: Olly freut sich übrigens sehr auf „The Wrestler“, wobei mir gerade auffällt, dass der Streifen bei uns ja noch garnicht im Kino läuft. Sagen wirs mal so: auf die deutsche Synchro würde ich nicht unbedingt warten wollen, die im Film dargebotene Sprache strotzt nicht gerade vor syntaktischer Güte und kann von jedem verstanden werden, der das normale Schulenglisch über sich ergehen lassen musste. O-Ton-Anschauen ist also Pflicht, zur Not dann halt mit Untertiteln.

Konsummuss: Charlie Bartlett

Ich muss zugeben, dass ich leicht skeptisch in diesen Film reingangen bin. Weiter muss ich sagen, dass diese Skepsis sich auch teilweise bestätigt. Warum man sich Charlie Bartlett dann trotzdem anschauen sollte? Es macht einfach Spaß.

Stellt euch einmal vor, ihr seid mittlerweile von der x-ten Privatschule geflogen. Nicht, weil ihr etwa schlecht in der Schule seid, nein, sondern einfach weil euer kriminelles Talent nicht, sagen wir mal, genügend Würdigung findet. Charlie Bartlett erlebt genau dies. Als Vorzeigeschüler eh nicht besonders beliebt, beginnt er recht schnell Führerscheine an seine Mitschüler zu verkaufen. Das kostet ihm den Aufenthalt auf seiner Privatschule und zwingt seine Mutter zugleich dazu, ihn auf eine öffentliche Schule zu schicken.

Charlie Barlett ist dabei kein gewöhnlicher unerziehbarer Rotzbengel. Er ist einfach zu gewöhnlich, zu schüchtern und zu wenig von sich selbst überzeugt, um im Mittelpunkt zu stehen. Auf seiner neuen Schule macht er sich recht schnell beliebt. Nicht, weil er etwa besonders gut zu dem – Achtung Klischeealarm! – chaotischen Haufen von rebellierenden Teenager passt, sondern eher deswegen, dass er die halbe Schule alsbald mit mehr oder weniger gefährlichen Phsychopharmaka via Schulklotherapie-Zimmer versorgt.

Bis hierhin erzählt sich der Film quasi von selbst. Alles ist schön plausibel und Charlie steigt alsbald in der Gunst seiner Mitschüler ins Unermessliche auf. Kurz: er wird zu der Kultfigur, zu der er schon immer werden wollte. Um sein Glück zu vervollständigen findet er sogar seine ersten Freundin. Leider ist diese auch zugleich die Tochter des Schulleiters. Ausschweifender Drogenhandeln und der Vertrieb von Gewaltvideos machen Charlie bei diesem natürlich alles andere als beliebt. Die Konsequenzen könnt ihr euch ausmahlen. Alsbald beginnen also die ersten Konflikte.

Hört sich nach klassischer Highschool-Komödie an. Ist es zu großen Teilen auch. Die Leichtigkeit der Erzählweise, die logisch aufgebaute Geschichte und die unterschwellig vermittelte Milieu-Studie einer typischen US-Highschool machen Charlie Bartlett aber zu einem leichten Sommerfilm, der dennoch ein klein wenig Anspruch bietet. Handwerklich solide gemachte Filme finden halt immer ein Publikum.

Warum die Skepsis gelieben ist? Charlie Bartlett könnte auch, ohne seine gute handwerkliche Umsetzung, auf dasselebe Niveau bekannter Teeniefilme wie American Pie abschrutschen. Der Unterschied kann halt manchmal ganz klein sein…

Steve Buscemi war irgendwie auch schonmal besser

Bitte jetzt nicht falsch verstehen, „The Interview“ ist beleibe kein schlechter Film und hebt sich immer noch angenehm von anderen Genrefilmen ab. Trotzdem passt mir da irgendetwas nicht. Nicht etwa, dass Sienna Miller und Steve Buscemi keine guten Schauspieler sind. Nein, das ist es einfach nicht. Nur die beiden zusammen, das geht nicht, das passt irgendwie nicht.

Klar, mir ist durchaus bewusst, dass der Film genau darauf abziehlt. Die beiden Personen sollen sich ja nicht mögen. Nur habe ich als Zuschauer den Eindruck, Steve und Sienna zusammen, ohne Kamera, das würde irgendwie funktionieren. Und genau das passt irgendwie nicht.

Gespieltes und Realität – das hat oft wenig miteinander zu tun. Robert de Niro und Joe Pesci konnten sich hinter der Kamera auch nie ausstehen, musste davor aber eine perfekt funktioierende „Familie“ miemen. Das ging damals grandios, nur eben bei Sieanna und Steve nicht. Da wirkt der Konflikt manchmal einfach nicht mehr glaubwürdig genug.

Wenn er Sie küsst, nachdem er gekonnt provoziert worden ist. Das ist so eine Szene. Man hat als Zuschauer nicht das Gefühl, da würde etwas Wiederwilliges geschehen. Es fühlt sich eher so an, als hätten beide nichts dagegen einzuwenden, aus dem Kuss noch etwas mehr zu machen. Und das so ziemlich am Anfang des Films. Blöd, schließlich behält man diese Szene den Rest des Films über die ganze Zeit im Hinterkopf und merkt, wie der Konflikt an seinem Glaubwürdigkeitsproblem stirbt.

Schade, denn ansonsten ist die Ausgangssituation bei „The Interview“ grandios und auch das Drehbuch an sich ist sehr schön. Nur halt Herr Buscemi und Frau Miller, das geht leider gar nicht zusammen. Hummm…

Konsummuss: Paranoid Park

Paranoid Park

Paranoid Park ist wieder mal ein Beweis dafür, das gute Filme keine großen Budget brauchen, nicht mit einem umfangreichen Star-Ensamble aufzuwarten brauchen und schon garnicht aufdringlich sein müssen.

Ja, dieser Film zeigt ganz eindeutig, dass Krawall-Filmemacher wie Michael Bay samt Dauer-Action-Produzent Jerry Bruckenheimer eigentlich arbeitslos sein müssten. Er fängt so unscheinbar an, das man garnicht zu erraten wagt, was als nächstes loszubrechen droht.

Der herannahende Konflikt, das tragische, aber auch brutale Schicksal, was sich am Horizont abzeichnet, das alles wird so beiläufig eingeführt und kommt dann mit einer fast unglaublichen Härte auf den Zuschauer zu, dass man es nicht wahr haben will. Man bemitleidet den Täter und verflucht ein klein wenig das Opfer. Genau dieser Punkt ist es, den Paranoid Park auszeichnet. Es ist diese Leichtigkeit mit der sich dem Zuschauer das ganze Opfer, das Schicksal von dem offenbart, der noch Minuten vorher einfach nur ein ganz normaler Junge war. Die Bilder gleiten dahin, zusammen mit der Musik ergeben sie einen unaufhörlichen Fluss. Was schlicht „Poetry in Motion“ genannt wird ergibt hier einen Film, der am Ende verstörender ist, als man es jemals vorher nur erahnen konnte.

Worum es geht? Das wäre zu langweilig an dieser Stelle zu erklären. Paranoid Park ist so ein Film, über den man vorher vom Inhalt nichts wissen sollte. Wo man am besten komplett unwissend hinein in den Kinosaal geht, nur um dann zu spüren, wie Film funktionieren kann.

Ich möchte an dieser Stelle auch gar nicht weiter erzählen, sondern einfach nur den Befehl zum Konsum geben. Also: ab ins Kino (jaja, er läuft nicht in allen Lichtspielhäusern, aber die paar Extra-KM sind es wert) und dann nur noch wundern. Fabelhaft, ich möchte mehr davon!