Wie Verlage bei der IVW tricksen

NDRs medienkritisches Magazin „Zapp“ hat sich einmal die Frage gestellt, wie es z.B. der Focus geschafft hat innerhalb weniger Monate gut 70.000 neue Leser zu finden. Das Ergebnis des Beitrags dürfte Medienexperten wenig überraschen, ernüchtert aber trotzdem und lässt grundsätzlich am Focus-Slogan „[…] und immer an die Leser denken!“ zweifeln.

Die in dem Beitrag von Zapp genannten Tricks werden natürlich nicht nur vom Focus angewandt. Auch Magazine wie die SFT, Chip, PC Welt, Cicero, Gala und die Financial Times bessern ihre Auflage mit Boardexemplaren auf. Interessant ist dabei z.B. zu beobachten, dass die Gala im 3. Quartal 2008 mit Boardexemplaren auf 382.430 verkaufte Exemplare kam, während von der InTouch nur 334.535 Hefte verkauf worden sind. Von der Gala sind also augenscheinlich mehr Hefte an den Mann gebracht worden. Nur wird die InTouch nicht gratis in Flugzeugen ausgelegt, sondern generiert ihre Verkäufe aus Abonnenten- und Kioskkäufern, während von der Gala allein rund 51.151 verkaufte Exemplare nur durch die kostenlose Auslage im Flugzeug erreicht worden sind. Zieht man eben diese Käufer, die ja im eigentlichen Sinne keine Käufer sind denn sie erhalten das Heft ja gratis, ab, so liegt die InTouch mit 3.256 verkauften Magazinen knapp vor der Gala.

So sorgt die Auflagentrickserie also nicht nur für einen höheren Anzeigenpreis sondern verzerrt auch noch den Wettbewerb unter den einzelnen Magazinen. Die IVW müsste hier also einmal deutlich einschreiten. Schließlich konkurrieren hier zwei Zeitschriften in derselben Sparte miteinander und während die InTouch von Bauer eigentlich mehr zahlende Leser vorweisen kann, gaukelt Gruner und Jahr seinen Anzeigenkunden bei der Gala den Auflagenvorsprung nur vor. Hier wird klar im Wettbewerb manipuliert, was nach dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verboten ist.

Dasselbe Bild zeigt sich auch im IT-Sektor. Hier konkurrieren seit Urzeiten die drei PC-Fachmagazine c’t, PC Welt und Chip um die Gunst der Leser. Alle drei Magazine haben eine sehr hohe verkaufte Auflage von 346.803 Exemplaren (c’t), 400.223 Exemplaren (PC Welt) und 408.825 Exemplaren (Chip) und müssen sich deshalb um ihre Existenz am deutschen Zeitschriftenmarkt keine Gedanken machen. Laut diesen Zahlen ist die Chip vor der PC Welt mit rund 8.000 mehr verkauften Heften Marktführer, die c’t liegt relativ weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Zieht man nun die kostenlosen Boardexemplare bei allen drei Magazinen ab, wobei dies bei einem schwierig werden dürfte, dann erhält man eine ganz andere Reihenfolge:

1. Platz: PC Welt: 400.223 Gesamtauflage – 51.820 Boardexemplare = 348.403 Verkaufte Exemplare

2. Platz: c’t: 346.803 Gesamtauflge – 0 Boardexemplare = 346.803 Verkaufte Exmeplare

3. Platz: Chip: 408.825 Gesamtauflage – 75.497 Boardexemplare = 333.328 Verkaufte Exemplare

Oh Wunder der Verwandlung. Zieht man also bei allen drei Magazinen die Boardexemplare ab, dann ist der einstige Spitzenreiter auf einmal nur noch auf dem dritten Platz zu finden, während die auf den ersten Blick weit abgeschlagene c’t nun auf einem soliden zweiten Platz vorzufinden ist. Bei der PC Welt hat es indes sogar zur Marktführerschaft gereicht, wenn man einmal die ComputerBild außen vor lässt. Aber auch hier ist noch etwas faul. Schließlich werden von der PC Welt noch gut 21.834 Exemplare pro Monat bei der IVW unter der Kategorie „sonstige Verkäufe“ geführt. Hierzu zählen Hefte, die weder am Kiosk noch per Abo verkauft oder als Boardexemplare verschenkt werden, also auch keine reelle verkaufte Auflage darstellen. Zieht man diese Hefte noch einmal zusätzlich ab, dann ergibt sich folgendes Bild:

1. Platz: c’t: 346.803 Verkaufte Exmeplare – 0 Sonstige Verkäufe = 346.803 Verkaufte Exmeplare

2. Platz: Chip: 333.328 Verkaufte Exemplare – 1.903 Sonstige Verkäufe = 331.425 Verkaufte Exemplare

3. Platz: PC Welt: 348.403 Verkaufte Exemplare – 21.834 Sonstige Verkäufe = 326.569 Verkaufte Exemplare

Und schon wieder zeigt sich ein neues Bild. Die PC Welt ist nun auf den dritten Platz abgestiegen, während die c’t Marktführer ist und sich die Chip auf einem zweiten Platz vorfindet. Da alle drei Magazine selbst jetzt noch eine sehr gute verkaufte Auflagen haben ist diese Trickserei also keine Frage der wirtschaftlichen Existenz. Viel mehr scheint es darum zu gehen, dem Mitbewerber immer mit ein paar mehr verkauften Heften übertrumpfen zu wollen. Die Aussagekraft der IVW-Zahlen darüber, wie viele Leser nun aus reinem Interesse am Magazin und dessen Inhalten eben zu diesem Heft greifen, ist damit aber ad absurdum geführt worden.

Das Mysterium Gee

Ich stelle mir seit geraumer Zeit eine Frage: wie überlebt eigentlich ein Magazin, dass laut IVW im aktuellen Quartal von sowieso eher mageren cirka 20.000 verkauften Exemplaren noch 8.000 über sogenannte sonstige Verkäufe absetzt? Hierbei handelt es sich nicht um das normale Kiosk- oder Abonnenten-Geschäft, ja selbst der stark rabattierte Lesezirkel fällt nicht darunter.

Zwar schweigt sich die IVW-Webseite gekonnt dazu aus, was denn nun genau sonstige Verkäufe sind und ob und zu welchem Preis (sprich 50 Prozent des normalen Kiosk-Preises usw.) das Magazin dann feilgeboten wird. Ich persönlich kann mir aber kaum vorstellen, dass mit diesen Exemplaren ein beachtenswerter Umsatz erzielt wird, sind das Kiosk- und Abogeschäf neben der Werbung doch die wichtigen Umsatzbringer.

Das Heft an sich wird derzeit zu einem Preis von 3,90 Euro angeboten, bietet 100 Seiten Umfang und wird von zwei Redakteuren, einem Chefredakteur samt Stellvertreter, sowie einem Textchef und einem Art Direktor samt einem Stamm von freien Redakteuren erstellt. Viel Personalaufwand ist also ersteinmal nicht zu erkennen und der Preis von 3,90 Euro für 100 Seiten ist allemal recht deftig. Trotzdem: die PlayZone hatte auch nicht ausufernd mehr Personal, verkaufte nur 500 Exemplare weniger und wurde zudem billig in Polen mit einem Großverlag im Rücken hergestellt und das bei einem Preis von 4,90 Euro bei 100 Seiten Umfang. Die Playzone gibt es aber nicht mehr, die Gee dafür immer noch.

Nicht, dass ich etwas gegen die Gee als Magazin hätte. Eher im Gegenteil: ich finde es ganz angenehm mal ein „Spiele“-Magazin am deutschen Markt zu haben, dass Spiele nicht aufgrund von Motivationskurven oder der Addition von Teilwertungen beurteilen. Die Reportagen in der Gee sind nicht bloß nettes Beiwerk wie bei PC Games oder GameStar, sondern meist Hauptbestandteil des Magazin. Gut recherchiert und geschrieben sind die Meisten davon. Sollte das dann mal nicht zutreffen, sind sie aber wenigstens noch unterhaltsam.

Der Fortbestand der Gee bleibt mir aber dennoch ein Rätsel. Der Verlag, die Redaktionswert, hat zwar noch das DVD-Magazin, dass mit knapp über 43.000 verkauften Heften (abzgl. sonstiger Verkäufe, laut Quartal 1/2008) bei fast gleichem Personalaufwand solide wirtschaften solle. Die Gee könnte man mit den Gewinnen aus dem DVD-Magazin also querfinanzieren. Aber warum sollte das ein Verlag über ein Jahr lang machen?

Arbeiten die Redakteure dort zum Hungerlohn, sind die Anzeigenerlöse so hoch oder lohnt es sich die Gee einfach am Leben zu erhalten, um ein Prestigeobjekt zu haben, oder weil es dann bei der örtlichen Druckerei so gute Rabatte gibt, dass es sich insgesamt für den Verlag rechnet? Mir erscheint das alles als wenig logisch und somit verbleibe ich in leichter Ratlosigkeit. Vielleicht habt ihr da ja eine Idee?

P.S.: Interessanterweise scheint man sich bei der Redaktionswerft in den letzten paar Monaten mit der Marke Gee im Internet etwas ausgedehnt zu haben. Gee.TV und Gee.Display sind zwei durchaus interessante, wenn auch bei Gee.TV nicht unbedingt neue Ansätze. Videoplattformen gibt es im Internet ja beleibe genug, und mit ViVi.tv auch schon recht lange eine Plattform, die sich nur mit Videospielen beschäftigt.