Kritik: Earl Greyhound – Suspicious Package

Die Platten-Rubrik in diesem Blog gleicht ja eher eine Schande, denn einem Kontinuum an hochwertige Plattenregal-Empfehlungs-Lobhudelei. Grund genug gleich mit einem ordentlichen Feger der Packung Retro-Rock-Charme verquirlt mit einer großen Portion Eigenständigkeit. Suspicious Packageist laut genug um den Hygiene-Streit meines WG-Sponsor-Päarchens zu überdecken und nachdenklich genug um über die Schönheit Wiens inmitten eines nach rechts driftenden politischen Gefildes zu grübeln.

Ob nun ein treibendes „We are“ in Ghosts and the Witness, welches einen selbst nach übermäßigem Ottakringer-Genuß am Abend zuvor trotzdem noch morgens mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht aufstehen lässt, oder ein das extrem entspannte Black Sea Vacation, das oft zweistimmig agierende Duo Kamara Thomas und Matt Whyte führt zum Niederknien von einem Hörgenuss zum Nächsten. Die Rhythmus gebende Gewalt ist mit Ricc Sheridan hinter seiner infernalisch knallenden Snare dem Gesamtkonstrukt mehr als ebenbürtig besetzt. Earl Greyhounds Prägung durch Altmeister wie Led Zepplin und die frühen Pink Floyd blitzt spätestens dann durch, wenn am Ende einiger Songs virtuos gefrickelt und psychedelisch arrangiert wird.

Von draußen prasselt der Regen gegen die Fenster, der Himmel wechselt sich in seiner Farbtönung von bedrohlich dunkelgrau zu anthrazit ab, der Wind heult als würde er das alles verscheuchen wollen und aus den Boxen dröhnt „I got wherewithal to leap from beach to beach / I got the shoes not the fire of a warrior“. Die Finsternis droht sich in meinem Zimmer auszubreiten, die Wände scheinen sich in Richtung Raummitte zu bewegen, dann wechselt das Lieb. Whyte intoniert „I don’t want your understanding anymore / I got fistfuls in my hands to enjoy“, langsam zeichnet sich ab, dass der Tag nichts Gutes mehr zu bringen hat, außer einem Soundtrack der ihn treffend beschreibt. Anhören, verwundert sein, mitnehmen.

Kritik: Inception

Christopher Nolan gilt es das Wunderkind Hollywoods. Er verschaffte Robin Williams neue Charakterzüge (Insomnia) und gab einem toten Kino-Franchise nicht nur seine dunkle geheimnisvolle und schmerzhafte Seele zurück sondern reanimierte es damit zugleich (Batman Begins und The Dark Knight). Nun ist Nolan, anders als z.B. Martin Scorsese, kein Regisseur der soziale Missstände aufdecken möchte oder den eine zeitgeschichtliche Epoche besonders reizt, Nolan ist zumeist ein kühler Erzähler über die Dämonen der Vergangenheit, die jeden von uns irgendwann einmal verfolgen.

Auch Inceptionist im Endeffekt nicht mehr als das, nur das Nolan hier inszenatorisch auf ein Effektfeuerwerk zurück greift, das den Zuschauer visuell einen neuen Orgasmus nach dem anderen beschert. Nun wäre Nolan aber nicht Nolan würde er das alles nicht ganz akribisch und emotionsarm  erklären können, wenn die genaue Begründung auch auszubleiben vermag. DiCaprio spielt Dom Cobb, einen Gauner, der Menschen nicht real, sondern nur in ihren Träumen beraubt. Er schleicht sich in die privatesten Gedanken eines jeden ein und stiehlt das, was sein Auftraggeber haben möchte. Doch gleich zu Beginn ist Cobb auch schon am Ende. Halb tot wird er an einem idyllischen Sandstrand mit spielenden Kindern angeschwemmt. Kaum aufgewacht, spürt er schon den Lauf eines Maschinengewehrs in seinem Rücken. Dom wird abgeführt zu einem alten Mann. Die beiden scheinen sich zu kennen. Woher ist ungewiss und bleibt es auch erst einmal, denn jetzt fängt Nolan an die Vorgeschichte zu dieser Szene zu erzählen.

Dom ist gerade mitten in einem „Job“. Es gilt geheime Informationen aus dem Safe eines japanischen Energie-Magnaten (Saito, Ken Watanabe) zu „besorgen“. Doch der Job droht zu scheitern als eine ominöse Frau auf den Plan tritt. Mel, so viel erfahren wir schon einmal, stand irgendwann in einer sehr intimen Verbindung mit Dom. Von Kindern ist die Rede und von Misstrauen. Mehr Zeit zum Reden gibt es nicht, schließlich droht die Traumwelt, in die sich Dom zusammen mit seinem Kollegen Arthur (Jospeh Gordon-Levitt) hinein geschlichen haben, gerade sprichwörtlich zu zerbrechen. Der Job droht sich selbst zu exekutieren. Doch gerade als alles zusammen fällt und Saito sich selbst in einer weiteren Traumebene nicht zur Preisgabe der Informationen zwingen lassen will, tut sich für Dom eine neue Perspektive auf. Saito bietet ihm an, dafür zu sorgen, dass er endlich wieder in die USA zu seinen Kindern einreisen kann. Dom, verzweifelt durch die Isolation von seinen Kindern, nimmt den Auftrag an.

Seine verlassenen Kinder und Mel, seine Ex-Frau, das sind die Schatten, welche Dom verfolgen. Mel hat er schon verloren, seine Kinder droht er zu verlieren. Saito ist sein einziger Ausweg. Doch der Auftrag ist schwierig. Um das zu bekommen was Saito will, muss Dom nicht nur in den Traum seines Opfers, dem Erben eines riesigen Energieunternehmens, gelangen, sondern ihn in einem selbst konstruierten Traum davon überzeugen, das Erbe seines Vaters nicht einzugehen. Diese Methode, einer Personen einen fremdem Traum als ihren eigenen zu verkaufen, nennt man Inception. Sie gilt als fast unmöglich durchführbar und trotzdem muss es Dom versuchen. Dass ihn dieser Auftrag an das Limit seiner eigenen Belastbarkeit treiben wird, ist dann auch der Treibstoff, der den Film am laufen hält.

Was nun kommt ist eine Dissertation über das Wie, das Dafür und das Dagegen der Traummanipulation. Rein inhaltlich sucht Dom zusammen mit Arthur sein Team zusammen, rein faktisch betrachtet erklärt Nolan hier fast täuschend präzise, wie Träume infiltriert und kreiert werden. Täuschend deshalb, weil er nur an der Oberfläche kratzt. Welche Fähigkeiten man braucht lässt er offen, genauso wie eine Herkunftsgeschichte der Inception. Es wird also viel erklärt ohne wirklich viel zu sagen. Lange Dialogszenen werden mit optisch opulenten Aha-Effekten kaschiert. Da kippt schon einmal eine Straße gen Himmel, oder ein ganzes Stadtviertel hebt sich als Firmament empor. Nolan nimmt sich auch nur an dieser Stelle des Films zumindest ein paar Minuten Zeit, den Nebencharakteren etwas mehr Profil zu geben. Die restliche Zeit spielen sie eher als Statisten die Puppen in einem Masterplan, in dem DiCaprios Charakter der Meister der Puppen ist.

Denn trotz all der Effektorgien, trotz des innovativen Grundcharakters der Handlung, geht es Nolan im Grunde nur darum, DiCaprios Charakter erst beim Scheitern, dann bei der eigenen Katharsis und zum Schluss bei der Genesis zu beobachten. Er versteift sich dabei so sehr in Doms Geschichte, in der Mel dessen ultimative Nemesis verkörpert, dass er in seinem Erklärungswahn einen sehr großen Fehler begeht: Nolan verrät nach gut einer Stunde Spielzeit das Ende seines Films. Es ist ein kleiner Nebensatz in einer der unzähligen Debatten darüber, wie gefährlich die Inception wirklich ist, doch er erklärt die Anfangsszene des Films so präzise und kühl, wie Nolan den ganzen Film über zu erzählen pflegt.

Ab hier verkommt die grandios und atemberaubend inszeniert Action zu einem Zirkus. Sie dient nur mehr der optischen Kaschierung einer Geschichte, die versucht noch etwas Neues zu erzählen, wo es nichts mehr zu erzählen gibt. Nolan hat sich selbst ins Abseits manövriert, denn die Gewissheit über das Ende seiner Geschichte voller Illusionen und Versteckspielereien, macht dann auch die durchaus facettenreiche persönliche Tragödie Doms zu einer Farce. Schließlich weiß der Zuschauer schon über dessen weiteren Verlauf. Zwar versucht Nolan am Ende mit einer einzigen Einstellung und einem sehr zentralen Objekt des Films dem Plot doch noch seine Ungewissheit zurück zu schenken. Doch kommt diese Konfusion des Zuschauers viel zu spät, um wieder gut zu machen, was bis dahin geschehen ist. Kurzum: enttäuschend.

Kritik: Moon

In Duncan Jones Regiedebüt hat sich die Welt endgültig von ihrem tödlichem Energiestigma, dem Erdöl, befreit. Der Kraftstoff, welcher den blauen Planeten am Rotieren hält, nennt sich Helium-3 und wird auf der Oberfläche des Mondes abgebaut. Der Abbau des begehrten Rohstoffs geschieht dabei fast automatisch, die Raumstationen werden nur zur Sicherheit von einem Techniker täglich überprüft. Sam Bell, wunderbar gespielt von Sam Rockwell, ist einer dieser Menschen, die sich dazu verpflichtet haben, drei Jahre lang einsam auf einer Raumstation Helium-3 abzubauen. Sams einziger Weggefährte dabei ist eine künstliche Intelligenz namens GERTY, welche ihn dabei unterstützen soll, seinen Alltag auf der Raumstation zu meistern.

Sams Tage auf der Raumstation sind gezählt. Sein Vertrag läuft in wenigen Wochen aus und er freut sich schon sehnsüchtig darauf, seine Frau und sein Kind wieder zu sehen. Die einsamen Jahre auf der Raumstation haben jedoch ihre Spuren hinterlassen: Sams körperlicher Zustand ist schlecht und er leidet unter Halluzinationen. Eines Tages während einer Routinekontrolle passiert es dann: während einer Halluzination erleidet Sam einen Unfall und wacht mehrere Stunden später jedoch wieder voll genesen in der Krankenstation der Basis auf.

Sam wird misstrauisch als er eine live geschaltete Videokonferenz von GERTY mit Lunar Industries mit ansehen kann. Angeblich sei nämlich die Satelliten-Verbindung mit der Erde gestört, sodass Sam nur aufgezeichnete Meldungen seiner Familie empfangen könne. Zusätzlich bekommt GERTY die Anweisung, Sam daran zu hindern die Raumstation zu verlassen. Ein Rettungsteam von der Erde soll sich hingegen um den zerstörten Harvester kümmern. Sam schöpft Verdacht, dass hier irgendetwas nicht stimmen kann, und täuscht ein Gasleck um die Station verlassen zu dürfen. In dem Wrack des Harvesters findet er eine lebende Person: sich selbst.

An diesem Punkt ändert sich die Grundstimmung des Films: war er zuerst noch ein in melancholischen Bildern erzählte Kritik an der Einsamkeit des menschlichen Individuums in einer fast komplett durch Robotern automatisierten Welt, so werden jetzt die Schnitte hektischer, die Einstellungen enger und die Sprache aggressiver. Sam 1 und Sam 2 finden alsbald heraus, dass es sich bei dem ominösen „drei-Jahres-Vertrag“ um die Lebenszeit der Klone handelt, die sich zu Hauf als Ersatz für sie selbst unter der Basis befinden. Sam 1 findet auch heraus, dass es sich bei den Videonachrichten seiner Familie um Aufzeichnungen von vor 15-Jahren handelt und dass der echte Sam Bell immer noch auf der Erde lebt.

Jones Film bezieht aus der Hassliebe zwischen Sam 1 und Sam 2 dabei eine besonders interessante Dynamik. Beide Figuren haben einen Menschen als reales Abbild. Sam 1 ist jedoch durch die jahrelange Einsamkeit degeneriert und kann sich mit dem aggressiven und streitsüchtigen Sam 2 nicht mehr identifizieren. Dennoch arbeiten schlussendlich beide Klone zusammen, um über die Machenschaften der Lunar Cooperation zu berichten.

In Moon befasst sich Jones sehr ausgiebig mit der Frage, wie viel die Individualität eines Menschen in einer zum Teil automatisierten Welt noch zählt und wie sich die Isolation eines jeden auf seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten auswirkt. Das Resümee, welches Jones zieht, ist dabei eine Dystopie in schönen Bildern einer Wirklichkeit die weit entfernt scheint und es in Wahrheit dann doch nicht ist. Unbedingt ansehen.

Kritik: Singularity

Konferenzraum von Raven, irgendwo in Texas: nach dem desaströsen Quake 4 versucht sich ein kleiner, sehr sehr kleiner Stab an Game Designern daran, neue Ideen zu finden. Es herrscht stundenlang eine angespannte Ruhe, plötzlich kommt Praktikantin Sasha rein. Noch leicht verschwitzt erzählt sie etwas von Ölfässern, welche man mit Hilfe einer Gravitations-Waffe auf Gegner schmeißen könnte und wie viel Spaß ihr das gemacht hätte. Alle hören ihr aufmerksam zu, was weniger an der Idee liegt, sondern eher daran, dass man durch ihr weißes T-Shirt ihre Nippel sieht. Plötzlich stimmt ihr einer der fünf anwesenden Game-Designer euphorisch zu, wohl wissend, dass er heute nacht sicherlich nicht alleine nach Hause geht.

Ein paar Jahre später ist aus der verschwitzen und vielleicht noch 2003 innovativen Idee das Shooter-Machwerk Singularity geworden. Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Singularity hat mit firschen Ideen so viel zu tun, wie Kinect mit Core-Gamern, nämlich rein gar nichts. Das ist aber egal, schließlich will Ravens Shooter auch nicht wirklich neuartig sein und das steht ihm sehr gut. Die Handlung ist, naja, sagen wir mal banal. Ihr müsst irgendeinen Wissenschaftler daran hindern die Weltherrschaft an sich zu reißen oder so. Die ehemalige UdSSR in der Rolle des Wiedersachers sowie die USA als Weltretter spielen dabei auch noch eine Rolle und komische Experimente um eine omnipotente Energie namens „Element 99“ sind eigentlich der Hauptgrund, warum ihr jetzt zur Waffe greifen müsst. Laut Gamestar sei die Geschichte spannend erzählt, ich glaube eher, dass sie ursprünglich sagen wollten, dass die paar Storysequenzen keinen stören…

Hört sich jetzt erstmal nicht so prickelnd an, aber seien wir als Oldschool-Shooter mal ehrlich: Unreal, Doom und Co. haben wir damals auch nicht wegen der Handlung so innig geliebt. Eher wegen kompromissloser Action, hektischer und spannender Duelle und dem ewigen Kampf mit zu wenig Munition und viel zu wenig Energie. Zwar muss Singularity zwangsweise ein paar neumodische Anleihen haben, das Kerngameplay könnte aber glatt aus 1999 stammen, als Egoshooter noch simpel zu spielen, aber schwer zu meistern sein durften und uns Halo nicht das repetetive ducken, schießen, ducken-Yoga-Programm als tolles Gameplay verkaufen wollte. Ja, ihr könnt eure Waffen upgraden, auch die Umwelt könnt ihr mit Hilfe einer spezielle Gravitationswaffe verändern (zumindest da, wo es die Entwickler wollen), schlussendlich hat sogar euer Charakter verbesserbare Attribute, dennoch: Deckungssystem? Nada! Auto-Heal? Ihr kennt doch noch Medipacks, oder? Koop-Gameplay mit NPCs? Ha, die K.I. ist schon froh, wenn sich wenigsten eure Gegner einigermaßen clever verhalten, wie da auch noch NPCs mitberechnen? Was bleibt: actionbetonte Zweikämpfe bei denen Reaktion, Treffsicherheit und Beweglichkeit gefragt sind. Ein paar angenehme Puzzle-Passagen, um sich ein wenig auszuruhen. Nettes Leveldesign, was man zwar so schon kennt, was jedoch abwechsungsreich genug ist, um nicht den Eindruck zu erwecken, man durchquere eine Röhre nach der Anderen. Ein paar, um genau zu sein, zwei coole Waffen. Und leider die Gewissheit, dass wir wohl keinen zweiten Teil erleben dürften, dafür verkauft sich Singularity bis jetzt einfach zu schlecht.

They don’t make games like this no more! Klar, Halo-verseuchte Konsolen-Shooter-Freunde werden über die Rückwärtsgewandheit dieses Titels den Kopf schütteln. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass die höheren Schwierigkeitsgrade mit der unpräziseren Pad-Steuerung keinen Spaß machen, aber das ist nicht mein Problem. Singularity spielt man auf dem PC. Das macht das Spiel nicht nur im Einkauf billiger, sondern das Gameplay um einiges besser. Es handelt sich hier um einen Shooter, den ich weder im Jahr 2010, noch von einem amerikanischen Entwickler und schon gar nicht von Activision als Publisher erwartet hättte. Früher wäre soetwas Mainstream-Ware erster Güte gewesen, also Triple-A, heute ist es eher ein Nischenmarkt, der hauptsächlich von osteuropäischen Entwicklern bedient wird. Und wenn wir schon bei den guten alten Zeiten sind: früher hätte soetwas noch 88 Prozentpunkte bekommen. Klar, Zeiten ändern sich, aber das muss ja nicht immer zum eigenen Vorteil sein, oder?

Alpha Protocol – Der kritische Eindruck

Ich hab mich ehrlich gesagt sehr auf Alpha Protocol gefreut. Mich konnte auch die für so einen großen und wichtigen Titel eher antiquarische Optik der Trailer nicht wirklich abschrecken. Je nach Entscheidung eine sich durchgängig anders entwickelnde Geschichte, sinnvoll, soll heißen so wie bei Mass Effect, eingesetzte Rollenspielelemente und das Ganze eingebettet in eine schöne Agentengeschichte – mein James-Bond-infiltriertes Herz schlug höher. Durchgespielt hab ich den passenderweise als „Spionage RPG“ untertitelten Agententhriller aus dem Hause Obsidian Entertainment inzwischen, dennoch muss das Erlebte erst einmal verarbeitet werden, deshalb hier zuerst die gröbsten Kritikpunkte. Die Weichspühler-Variante bzw. mein optimistischerer Blick auf den Titel kommt dann spätestens am Donnerstag.

Alpha Protocol, ein Teil des Namens bezeichnet sicherlich auch den Status der Goldmaster, die ins Presswerk geschickt worden ist. Gegner bleiben in der Luft hängen, ihr bleibt an Geschütztürmen hängen und euer Eingabebefehl bleibt irgendwie zwischen Tastatur/Maus und euer Spielfigur im Computer hängen, es ist teilweise traurig, an welchen Stellen das Spiel nicht so will, wie ihr es gerade wollt oder Sekunden zuvor schon erfolgreich durftet.

– Chefdesigner zu Entwickler: „Du Dave, ich hab da noch ne tolle Gameplay-Idee, die sollten wir wohl noch einbauen.“ Entwickler: „Ähm Joe, das wird schwierig. Wir haben nur noch drei Wochen bis zur Goldmaster und das Dekungssystem funktioniert immer noch nicht.“ Designer: „Mir doch latzt, Splinter Cell hat das, Splinter Cell ist erfolgreich, wir brauchen das auch. Außerdem heißts in unserem Untertitel doch „Spionage RPG“, also mach das da rein“. Entiwckler: „Okay, dein Wunsch ist mein Befehl. Was machen wir eigentlich mit den teilweise allsehenden Wachen in den Level?“ Designer: „Ach, da sollen die Spieler ruhig dran verzweifeln, oder besser: bei den Situationen können die Wachen einfach keinen Alarm auslösen. Sowieso fanden viele Spieler die Wachen in Conviction zu einfach, wir machen das gerade genau richtig.“ Der Entwickler denkt sich nur „du Vollidiot“, schaut einmal deprimiert Richtung Montréal und verpieselt sich kleinlaut. Kurz: das Denkungssystem funktioniert an manchen Stellen im Spiel nicht richtig, der Deckungswechsel ist gar eine Katastrophe, da man neue Verstecke nicht richtig anvisieren kann und dann einfach aus der Deckung springt. Die Wachen übrigens, naja, die haben sich teilweise wohl das „All-seeing-eye“ implantieren lassen.

– Es wird viel gesprochen in Michael Thorntons Agentenwelt, leider gibt es mit den Dialogen da so ein, zwei kleine Probleme: a.) Man erfährt so gut wie nichts über die Intention der einzelnen Charaktere. Es ist z.B. unklar, warum Mia Mike bei seiner Mission unterstützt, nachdem Alpha Protocol in sitzen lassen hat. b.) Phasenweise wird so viel erzählt, das man selbst als Adventure-freudiger Spieler irgendwann nur noch denkt: „Scheiß drauf, ich will die fertig machen. Gebt mir endlich meine Waffen und lasst mich den Sauhaufen ausräuchern.“ Wie es dem geneigten Modern-Warfare-2-Spieler geht möchte ich mir da gar nicht erst vorstellen müssen. c.) Zu 100 Prozent von Mass Effect abgekupfert wurde das Dialogsystem. Dass muss nicht schlecht sein, da hats ja schließlich auch funktioniert. Blöd nur, dass man sich in 90 Prozent der Fälle bei Entscheidungen im Weltraum auch vorstellen konnte wozu die Option „agressiv“, „neutral“, „freundlich“ oder „professionell“ führen wird. Wenn Mike aber den Mund aufmacht, gibt es stellenweise einige Überraschungen. „Witzelnd“ kann z.B. bei weiblichen Gesprächspartnern auch mal bedeuten, dass man sie ordentlich von der Seite angräbt, während man bei einem CIA-Agenten eher einen flotten Macho-Witz durch die Kauleiste drückt. Tja, wäre alles halb so schlimm, wenn man die Reaktion Mikes aus dem Kontext ableiten könnte, kann man aber nicht. Auch unglaublich unpraktisch: andauernd muss man sich innerhalb von Sekunden entscheiden, welche Antwort man geben mag. Egal ob man dabei gemütlich im Stützpunkt auf einer Couch sitzt – okay, man steht fast immer, echte Geheimagenten sitzen nicht – oder gerade in der Wüste mit einem grimmig gelaunten Bodyguard verhandelt. Das will auch nicht so richtig passen.

-Spioange, Geheimagent, das alles hört sich nach lautlosem, unsichtbaren Infiltrieren von feindlichen Basen an. Und genau dass, also das Eindringen in fremde Bastionen, ist die Hauptaufgabe des Spielers. Nur lautlos und unsichtbar, das funktioniert am Anfang selten bis garnicht. Grund dafür: erst im späteren Spielverlauf bekommt ihr die Fähigkeiten, die Standorte und Blickrichtungen der nächsten Wachen anhand kleiner Pfeile zu sehen. Das ist super, nur kommt es viel zu spät. Wer sich vorher im Skillsystem schon darauf eingestimmt hat, Spion zu werden, der wird bis dahin vor allem eins vermisst haben: genug Feuerkraft um sich gegen die Horden an Gegnern durchsetzen zu können. Ein umfangreiches und interessantes Fähigkeitensystem ist toll, Alpha Protocol hat es auch, nur ist es schlecht ausbalanciert. Ohne ordentlich den Umgang mit Messer  und Ga… ähm dem Sturmgewehr gelernt zu haben, sind die ersten Missionen nicht unbedingt ein erfolgsversprechendes Unterfangen.

– Letzter Punkt auf meiner „Am Arsch“-Liste: Der fünfstöckige Saturn in der Mönckebergstraße in Hamburg ist „Europas größter Elektrofachmarkt™“, aber von der Auswahl ist das was er bietet ein feuchter Scheißdreck gegen das Aufgebot jedes einzelnen Waffenhändlers, der Mike seine Waren andrehen will. Es gibt zwar nur rund dreihundert verschiedene Waffen und Rüstungen im Angebot, aber da die Abteilung „Pimp-my-Agent-Accessories“ gerade ihre Kreativphase hat, kann man diese gerne mit noch fünftausend verschiedenen Upgrades aufwerten. Mein Tipp: eine gute, solide Pistole mit Schalldämpfer, sowie ein ordentliches Sturmgewehr mir großem Magazin und einem ordentlichen Zielvisier reichen neben Brandbomben und Handgranaten locker aus, um es ordentlich krachen zu lassen. Bis ich diese Erkenntnis gewonnen hatte, ach vergessen wirs. Es hat lange gedauert, das muss reichen.

Keine Angst, Alpha Protocol ist nicht die abgrundtiefe Vorhölle nach der es sich gerade anliest. Es hat gute Seiten, verdammt gute Seiten sogar. Nur wird das alles verbaut von diesem Balast da. Eins ist aber schon sicher: der große Wurf, nein  dazu kann selbst ich Alpha Protocol nach diesen Worten nicht mehr schreiben. Und ich hab mich wirklich riesig auf das Ding gefreut, ohne Scheiß jetzt. Ich hab jedenfalls oft in den letzten Tagen vor meinem Monitor gesessen und gedacht: „Nee, das kann jetzt aber nicht wirklich wahr sein, oder?“ „Hallo? Wir schreiben das Jahr 2010, wo habt ihr die letzten Jahre verbracht?“ Aber da gabs auch mal andere Gedanken, glaubts mir, sonst wäre der Abspann nicht über meinen Monitor geflimmert. Also: bleibt wachsam.

Kritik: The Crazies Remake

Ein Stadt im mittleren Westen der USA, ein Flugzeugabsturz und toxische Kampfstoffe, die dessen Bewohner in blutrünstige Psychopaten verwandeln, so fing 1973 George A. Romeros Horror-Film The Crazies an. Was nach dem Absturz passierte taugte damals, als sich die desaströse Niederlage der Weltmacht USA im Vietnam Krieg abzeichnete, als zwar sehr plakative aber nicht unangebrachte Parabel über die Unmenschlichkeit und den Realitätsverlust des US-Militärs: vollkommen von der zunehmenden Bedrohung durch die Infizierten überfordert, sperrt das anrückende Militär das Katastrophengebiet hermetisch hab. Mit einer Übermacht an Soldaten wird versucht die Lage unter Kontrolle zu bringen. Unterschiede zwischen den Psychopaten und noch gesunden Menschen werden keine mehr gemacht, schließlich gilt es, diesen Kleinkrieg zu gewinnen. Romero erzählt das alles aus der Sicht einer Gruppe von Überlebenden, die verzweifelt versucht die Stadt zu verlassen, und dabei ausgerechnet von denen daran gehindert wird, die eigentlich zur Unterstützung gekommen sind. Die asymetrische Kriegsführung, das Verschwimmen der Grenzen von Freund und Feind, sowie der Wille eines übermächtigen Militärs alles für den Sieg zu opfern, Romero spicht all das in seinem Film an.

27 Jahre später ist der Vietnam-Krieg indes nur noch ein Kapitel in den Geschichtsbüchern, das öffentliche Interesse liegt inzwischen im Irak und in Afghanistan beheimatet. Trotzdem: da sich das Remake sehr stark am Original orientiert bleibt die Kritik im Kern vorhanden. Nur halt nicht mehr so prägnant. Regisseur Breck Eisner, verantwortlich für die mittelmäßige Literaturverfilmung Sahara – Abenteuer in der Wüste, zieht das Tempo zu Beginn des Films ordentlich an. Vom Ausbrechen der Seuche bis hin zur Verwandlung der Stadt in eine Art Vorhölle vergehen gerade einmal 30 Minuten. Anders als das Original jedoch degradiert Eisner die Militärs und Wissenschaftler zu gesichtlosen Antagonisten und konzentriert sich dafür mehr auf die Mordlust der Psychopaten. Das lässt die Neuverfilmung actionreicher und auch ein Stück weit spannender werden, verwässert jedoch den Grundtenor des Klassikers. In diesem bleibt die Frage, ob nun das Militär oder die Infizierten eine größere Gefahr für die Überlebenden darstellen offen. Ansonsten wird solide Horrokost geboten. Zwar wird die Rasanz der Inszenierung der ersten halben Stunden nicht bis zum Schluss gehalten, dennoch vermag der Fluchtversuch nicht zuletzt aufgrund seiner charmant dreckigen Fotografie bis zum Schluss spannend bleiben. Eisner, der sich als nächstes am Remake zu Carpenters Klassiker Escape from New York versuchen darf, inszeniert hier routiniert einen Horrorklassiker neu. Neue Akzente oder Interpretationen sucht man dabei vergebens, aber das ist in diesem Fall nicht zwingend von Nachteil. Die Metapher des Originals mag zwar heute nicht mehr zwingend aktuell sein, als Trauma einer Nation ist es aber stehts präsent genug.

Alan Wake – Kritik die Zweite

Es gibt sie noch: heißdiskutierte, kontroverse Videospiele. Heavy Rain machte den Anfang, Alan Wake zieht nun nach. Und genau an dieser Reihenfolge zeichnet sich schon das Damoklesschwert des Xbox360-exklusiven Titels ab. Wakes Abenteuer musste sich, mehr oder weniger offensichtlich, immer an der Qualität von Quantic Dreams spielbaren Drama messen.  Ob es nun daran liegt, dass beide Titel jeweils exklusiv für nur eine Plattform erscheinen um den Kampf um den zweiten Platz hinter Nintendo in der Prioritätenskala von Entwicklern und Käufern zu entscheiden, oder aber daran, dass beide Titel seit Beginn ihrer Entwicklung einen Hype auslösten, das vermag jeder für sich entscheiden. Gemein ist beiden Entwicklern jedoch, dass sie ihre Stärken in dem jeweiligen Spiel perfekt in jede Codeziele umgesetzt haben. Dass dabei zwei unterschiedliche Videospiele entstanden sind, ist bei genauer Betrachtung des Werdegangs beider Studios nur logisch.

Remedy kann, und da sind sich wohl fast alle Max Payne-Spieler dieser Welt einig, ein spannend inszeniertes und erwachsenes Drama erzählen. Sie können dies optisch wunderschön aufbereiten und mit einem funktionalen Gameplay anreichern. Neue Genres zu definieren ist ihnen hingegen nicht vergönnt. Quantic Dreams kann all dies auch, möchte aber darüber hinaus noch etwas mehr: der Spieler soll eine möglichst starke emotionale Beziehung zu seinen Charakteren herstellen, er soll jederzeit die Möglichkeit haben, sich für einen Weg zu entscheiden und er soll durch die Steuerung ins Geschehen eingebunden und nicht davon separiert werden. Fahrenheit zeigte diese Impulse im Ansatz, Heavy Rain ist dagegen die Perfektion genau dessen. Alan Wake ergeht es da nicht anders. Nur wirkt es etwas konservativer, ist aber deswegen per se nicht schlechter.

Alan Wakes Abenteuer beginnt beschaulich, wenngleich das Tutorial, getarnt als Albtraum, den herannahenden Schrecken schon erahnen lässt. Zusammen mit seiner Frau Alice verschlägt es ihn in das beschauliche Örtchen Bright Falls, wo er endlich wieder zu einem normalen Leben zurück kehren möchte. Zuletzt machten Schlafstörungen und Albträume gepaart mit einer akuten Schreibblockade ihm das Leben als Horrobuch-Autor unnötig schwer.

In Brighton Falls angekommen besorgen wir uns als erstes den Schlüssel zum Haus und treffen dabei auf eine alte Dame, welche komplett in Schwarz gekleidet ist, und die uns einen gehörigen Schrecken bereitet. Doch das sollte erst der Anfang sein. Kaum im Haus am ominösen Couldron Lake angekommen streiten wir uns mit Alice. Diese möchte, dass wir den örtlichen Psychiater Emil Hartman aufsuchen, um endlich unsere kreativen und mentalen Probleme zu lösen.  Genervt von Alice Versuchen, uns überreden zu wollen, verlassen wir nach einem lautstarken Streit die Ferienwohnung, nur um wenige Sekunden später von Alice Schreien angetrieben wieder zu ihr zurück zu laufen. Im Haus ist das Licht ausgefallen, verzweifelt versuchen wir Alice zu finden, kommen aber zu spät und sehen nur noch im Augenwinkel, wie diese von der Terrasse in den tiefen schwarzen See fällt. Ohne zu zögern springen wir hinein. Die Welt vor unserem Auge wird dunkel.

Nur einen Wimpernschlag später wachen wir mit einem brummenden Schädel, sowie einem blutverschmierten Gesicht wieder auf. Erste unscharfe Blicke verraten uns, dass wir unseren Mietwagen wohl irgendwie gegen eine Leitplanke gesetzt haben. In einer Mischung aus Panik und Erschöpfung befreien wir uns aus unserem Autowrack. Erst jetzt bemerken wir, dass Alice nicht bei uns ist. Draußen ist es zwar schon relativ dunkel, doch die Dämmerung reicht aus, um zu erkennen, dass wir uns am Couldron Lake befinden. Verzweiflung und Wut steigt in uns auf und wir beschließen uns auf den Weg herunter zum See zu machen. Müde schleppen wir uns nach unten zu See. Nach wenigen Metern wird es ungewöhnlich düster, befremdliche Geräusche ertönen um uns herum, Nebel steigt auf, Wind peitscht die Bäume zur Seite. Wir erinnern uns schlagartig an unseren Albtraum auf der Fähre. Dunkelheit, seltsame Geräusche, dass alles kommt uns bekannt vor. Es fehlen nur noch von der Dunkelheit besessene Menschen, die uns attackieren. Als der Erste auf uns zukommt, wissen wir es: unsere Albträume sind zur Realität verkommen. Instinktiv greifen wir zur Taschenlampe, blenden das erste Wesen, bis ihm die Dunkelheit keinen Schutz mehr gibt. Wir rennen zur nächsten Laterne, finden in einem Kasten eine 9mm-Pistole, treten kurz aus dem sicheren Lichtkegel heraus, den Angreifer suchend, laden wir unsere Pistole und drücken im nächsten Moment ab. Das alles ist schon abscheulich genug, irritierend ist es dagegen, dass wir das eben Geschehene zuvor auf einer Manuskriptseite, die wir am Boden gefunden haben, gelesen haben. Es scheint sich dabei, um eine von uns verfasste Geschichte zu handeln. Überraschenderweise haben wir sie noch nie zuvor gelesen. Doch keine Zeit zum Grübeln, irgendetwas verfolgt uns schon wieder. Später beim Parktplatz angekommen bemerken wir, dass seit unserem scheinbar hoffnungslosen Rettungsversuch und dem Autounfall gut eine Woche vergangen sind. Auch hier können wir uns an nichts erinnern.

Der Epilog, zugleich das erste von sechs Kapiteln des Spiels, macht schon sehr deutlich, wovon Alans Horror-Abenteuer seinen Reiz bezieht. Fast durchgehend auf sich gestellt versucht Alan seine Frau wiederzufinden, nur um dabei permanent über dessen Verbleib im Unklaren zu sein. Erst die vierte Episode klärt einige Fragen auf, macht aber zugleich deutlich, mit welchen Schrecken es Alan hier zu tun hat. Die Geschichte lebt von vielen Dead-Ends, einigen mal mehr, mal weniger vorausschaubaren Wendungen und Alans Kontrahenten und Wegbegleitern.

 

 

Remedy ist es gelungen, ein sehr homogenes Horror-Spektakel auf den Bildschirm zu zaubern. Die Licht- und Schatteneffekte suchen Ihresgleichen, der volumetrische Nebel taucht die verlassene Wälder in einen bedrohlichen Sumpf, voller überraschender Gefahren. Die Dunkelheit wird hier so perfekt als permanentes Böses inszeniert, dass die wenigen Abschnitte, welche wir bei Tageslicht absolvieren dürfen, wie ein Fronturlaub von einem grausamen Krieg auf uns wirken. Ständig haben wir es mit einer Übermacht an Feinden zu tun, welche durchaus clever versuchen, uns mit ins Dunkle zu reißen. Gekonnt wird unserem Lichtkegel ausgewichen, oder man versucht sich von hinten an uns heran zu schleichen. Sollten wir einmal nicht von Besessenen verfolgt werden, spielen uns verschiedene Poltergeister einen Streich. Entweder bricht die vorher noch sicher geglaubte Brücke fast in sich zusammen, oder wir werden von einem Radlader oder Kipper bedrängt. Abwechslung gibt es zwar nach einigen Stunden in Sachen Gegnerdesign nicht mehr, dafür ist die Art und Weise, wie wir angegriffen werden höchst unterschiedlich. So haben wir z.B. einmal nur mit der Hilfe der Effektshow einer Konzertbühne, welche wir auf dem Bauernhof zweier alternder Rockstars vorfinden, die Möglichkeit den Herrscharen an Gegner wiederstehen zu können.

Das Kernspielprinzip bleibt aber immer gleich und gestaltet sich, wie schon eingangs erwähnt sehr konservativ. Das Licht unserer Taschenlampe als schützendes Schild vor uns, rennen wir von einem Ort zum nächsten, immer auf der Suche nach weiteren Hinweisen um unsere Frau zu retten. Unterbrochen wird diese Odyssee nur von einigen Passagen bei Tageslicht sowie den gut inszenierten Zwischensequenzen. Diese bringen uns die Charaktere näher und sorgen dafür, dass Alans Horrortrip an Fahrt aufnimmt.

Die Glaubwürdigkeit mit der Alans Bekannte und Freunde inszeniert werden ist dabei erstaunlich hoch. Alans Freund und Agent Berry Wheeler hält diesen zuerst für irre und glaubt ihm erst, als er unfreiwillig hautnah in die Geschehnisse eingebunden wird. Seine vorlaute Art, sowie die Unerschrockenheit mit der er Alans Schicksal begegnet machen ihn dabei schnell zu einem unverzichtbaren Wegbegleiter. Ebenso entpuppt sich der örtliche Sherriff Sarah Breaker, der Alan eingangs noch des Mordes an seiner Frau verdächtigt, später im Spiel als Unterstützung im Kampf gegen das aus der Dunkelheit kommende Böse. Einige Charaktere wie die stets mit einer Lampe umherstreunende Cynthia erklären gar Gameplay-Elemente des Spiels. Auch der ominösen, in schwarz gekleideten alten Dame, welche wir gleich zu Anfang treffen, wird noch eine gewichtige Rolle zuteil.  Es gibt kaum eine für die Handlung wichtige Persönlichkeit, die im Verlauf der Geschichte und mit Zuspitzung der Ereignisse nicht eine seelische Wandlung vollzieht und uns damit immer wieder überrascht. Mal positiv, mal negativ.

Nicht zuletzt nährt Alans eigener seelischer Zustand steht die Zweifel daran, ob das, was wir soeben erlebt haben, wirklich real existent ist, oder ob wir uns  in einem dauerhaften Albtraum befinden. Erst nach und nach können wir rekapitulieren, was sich genau in der verlorenen Woche ereignete. Doch mit Abnahme unserer Amnesie verstärkt sich der Glaube, Alan leide unter Wahnvorstellungen, noch zusätzlich. Am Höhepunkt unseres Zweifels finden wir uns in der Klink Hartmans wieder, wo dieser versucht, uns dazu zu bringen, dass wir uns eine angebliche Geisteskrankheit eingestehen.

Alans Selbstzweifel, sowie die Rückschläge bei der Rettung seiner Frau, bilden das Fundament, auf dem der Spannungsverlauf der Handlung aufbaut. Alan jagt fast selbst wie ein Besessener immer wieder neuen Hinweisen, die auf den Verbleib seiner Freundin schließen, nach. Nur selten führen ihn diese dabei ans Ziel. Immer wieder muss er erleben, wie sich neue Chancen in Sackgassen verwandeln. Sein oben erwähnter Sanatoriums-Aufenthalt markiert dabei die Wendung in der Handlung. An diesem Punkt bekommt er den entscheidenden Hinweis, wie er diesen sprichwörtlichen Albtraum bekämpfen kann. Doch der Weg dorthin soll sich als anstrengender als erwartet erweisen, schließlich hat die Dunkelheit einiges an Kraft gewonnen.

Remedy hat es mit Alan Wake geschafft, einen glaubwürdiges und, soweit es das fantastische Setting der Handlung möglich macht, authentisches Horror-Drama zu erzählen. Schlussendlich entpuppt sich das Drama um Alan Wake nicht nur als eine oberflächliche Horrorgeschichte, der Spieler wird feststellen, dass Alan seine Frau nur dann retten kann, wenn er seine eigene, frühere Persönlichkeit als von Egoismus und Selbstherrlichkeit getrieben erkennt und sich von ihr distanziert.  Es muss ihm erst verdeutlicht werden, dass er mit seiner Frau den größten Teil seiner positiven Charaktereigenschaften verliert. Die Tiefe der Geschichte ist dann sozusagen die „Innovation“ von Alan Wake, denn ansonsten erlebt der Spieler auf Alans Reise weder neuartigen Gameplay-Element noch irgendwelche Ansätze davon. Trotzdem: es spricht für die Intensität der Inszenierung, wenn ein ausgelutschter Gassenhauer wie Space Oddity von David Bowie, der beim Abspann ertönt, als Befreiung von all unseren psychischen Qualen interpretiert wird.

P.S.:  Dass Remedy sich bei der Inszenierung der Handlung teils auffällig bei bekannten filmischen Genre-Klassikern bedient sei verziehen, auch wenn einige Zitate etwas aufgesetzt wirken: Auf der Flucht vor einem besessenem Tankwart, der mit einer Axt bewaffnet ist, verschlägt es uns in eine Hütte. Kaum dort angekommen, schlägt unser Kontrahent seine Axt in die Holztür des Verschlags. Shinig lässt grüßen.

Alan Wake – Kritik die Erste

Pah, ihr dachtet doch beim Lesen der Überschrift nicht wirklich, dass hier noch einen Test zum aktuell wohl umstrittensten 360-Exklusiv-Spiel gibt, oder? Wenn ja, dann müsst ihr bis morgen warten, heute hingegen gibt es ausschließlich Liebe, und zwar Liebe für etwas, dass bei Alan Wake wirklich gut geworden ist, ohne Diskussion, ohne Hype und ohne Einschränkung: die Limited Edition.

Es ist garnicht so sehr der Umfang der dabei begeistert, sondern vielmehr die – und jetzt sind wir wieder beim Thema – Liebe, mit welcher die Box gestaltet worden ist. Selbst die sonst eher maue und nichtssagende Making-Of-DVD hat hier einen Sinn und Mehrwert, aber dazu später mehr. Zuerst fällt der geneigten Konsumhure auf, dass die Box angenhem groß und wünchtig daher kommt, sich also im Regal schon einmal schön macht. Andere Collectors, Limited oder Was-weiß-ich-noch-Editionen stinken dagegen schon einmal gut ab. Lost Planet, Perfect Dark: Zero oder Star Ocean: The Last Hope, der Designer bei eurer besonderen Edition war wohl etwas knauserig an diesem Tag. Einzig vielleicht die CE von Street Fighter IV kann da mithalten, ist allerdings auch voller Luft und hat bei weitem weniger wirklich interessanten Inhalt zu bieten (die Actionfiguren fand ich eher überflüssig).

Apropos Inhalt: die Alan Wake Limited Collectors Edition biete dem geneigten Fan folgende Ausstattung:

  1. das Spiel selbst plus Anleitung
  2. einen Xbox-Live-Code zum Runterladen der 1. DLC-Episode
  3. eine Bonus-DVD mit Making-Of, Studio-Vorstellung, Xbox-Themes usw.
  4. eine Soundtrack-CD
  5. ein Buch „Die Akte Alan Wake“

Hört sich jetzt sicherlich nicht weiter spektakulär an und das mag es auf den ersten Blick auch nicht sein. Schaut man sich die Box jedoch im Detail an, so fällt auf, dass sie mit sehr viel Bezug zum Spiel erstellt worden ist. Die Form der Verpackung gleicht einem Buch, was auch ganz logisch ist, schließlich  ist Alan Wake Schriftsteller. Nettes Detail: klapt man das Buch auf, sieht man als erstes noch einmal die Titelseite, dieses Mal aber mit einem Autogramm Alans, so als hätte man ein handsigniertes Exemplar von ihm gekauft. Das Buch selber hat als quasi Außenhülle einen dünnen Pappüberzieher, welcher als normales Handelscover dient, damit man das Spiel auch brav findet. Klappt man nun das mit schwarzen Stoff und silberner Prägung versehene Psyeudo-Romänchen auf, dann verwandelt es sich in einen Schuber. In diesem befindet sich der Inhalt der LE, also alles was oben steht. Die Soundtrack-CD und das Making-Of-DVDchen teilen sich dabei eine glanzbedruckte Karton-Verpackung, während  sich das Spiel samt Anleitung und DLC-Code mit einer Standard-DVD-Box aus Plastik begnügen müssen. Kleiner Wehrmutstropfen an dieser Stelle: der Außenumschlag des  Extra-Buches ist aus einem sehr leicht reisendem Papier und sollte mit Vorsicht behandelt werden. Insgesamt macht die LE aber einen haptisch wie optisch sehr wertigen Eindruck. Man bekommt also ein ordentliches Pfund in die Hand gelegt. Das kann man für 60 bis 70 Euro aber auch erwarten.

Wer jetzt als erstes die Bonus-DVD ins Laufwerk legt, der sei davor gewarnt sich die Film-Sektion anzusehen: hier gibt es alle Zwischensequenzen zum Sofort-Konsum. Spoiler-Alarm also schon einmal mit inbegriffen, also Finger weg. Ansonsten ist der restliche Inhalt eine Zusammenstellung aus Wir-sind-die-Besten (Remedy-Firmengeschichte), einigen netten Entwicklungsdetails gepaart mit Alan-Wake-wird-grandios-Geschwafel (Making-Of), sowie der üblichen Ansammlung an Messe- und Werbetrailern, Konzeptzeichnungen und Screenshots aus verschiedenen Phasen der Entwicklung. Alles saurer 08/15-Standard. Dennoch ist die DVD das Polycarbonat wert, aus der sie erstellt worden ist. Neben der Remedy-Werbeschau gibt es auch noch zwei Xbox-Themes, ein bisserl Kleidung für den heimischen Avatar und ein nettes kleines Bonusfeature zum Spiel: wer wissen möchte, wie genau Remedy auf die einzelnen Storyelemte und Gameplayideen gekommen ist, kann sich einen Entwicklerkommentar beim Spielen dazu installieren. Allerdings sollte man Alans Reise vorher schon einmal vollendet haben, schließlich wird auch dann gnadenlos drauf los gesabbelt, wenn bedrohliche Geräusche und akuter Lichtmangel gerade für die richtige Atmosphäre gesorgt haben.

Da der Spielesoundtrack stimmig und über jeden Zweifel erhaben ist, ist natürlich auch die Soundtack-CD grandios, weswegen ich darüber an dieser Stelle kein weiteres Wort verlieren möchte, schließlich hat jetzt das LE-Highlight seinen großen Auftritt: „Die Akte Alan Wake“ ist keine bloße Ansammlung von Artworks, Charakterbeschreibugen oder sonstirgendwelchem Mumpitz, mit dem man üblicherweise abgewatscht wird. Es ist die Geschichte Clay Stewards, dessen Albträume ihn kurz nach Alan Richtung Bright Falls getrieben haben und welcher die Geschichte mit einigen Hintergrundinformationen aus seiner Sicht nacherzählt. Es beschreibt Bright Falls und dessen Vergangenheit sehr ausführlich. Durch Zufall findet er zudem die Akten des FBI-Agenten Nightingale und druckt z.B. dessen Befragungen mit den wichtigen Nebencharakteren der Handlung ab. Auch werden die Methoden des Psychaters Dr. Emil Hartman erläutert und die Kurzgeschichte, mit der Alan Wake zu seinem Rum kam, in diesem Buch veröffentlicht. Wer mit Alan Wake durch ist wird sich bei der Lektüre des Buches schnell wieder an das Erlebte zurück erinnern und eine zweite Sichtweise auf die Spielhandlung bekommen. Um es kurz zu machen: dieses Buch rechtfertigt alleine schon den Aufpreis der LE gegenüber der normalen Version, der restliche Inhalt ist da mehr als schmuckes Beiwerk zu beurteilen. Also, ihr Maden, kauft euch bloß nicht die Standard-Version,  sondern gönnt euch die paar extra Euronen und investiert in eine wirklich gelungene Limited Edition.