„Mehr Format wagen“, so lautet der Appell Klaus Jarchows im medienkritischen Blog „medienleses.com“. In seiner Kolumne geht es mehr oder weniger darum, dass sich deutsche Blogschreiber nicht davon einschüchtern lassen sollen, erst einmal journalisistsche Leitlinien zu pauken bevor sie anfangen Artikel in ihren Blog zu setzen. Herrn Jarchow setzt dagegen, das man in Blogs mutig mit anderen Textformen experimentieren soll und seinen Lesern Artikel abseits von redaktionellen Standards wie dem „KISS“-Prinzip anbieten soll. Neue Ansätze und interessante Ideen, dafür bin ich gerne zu haben, für die Argumentation Klaus Jarchows jedoch nicht.
So versucht Jarchow im fünften Absatz die KISS-Regel damit zu wiederlegen, dass der am meisten kommentierte Artikel in seinem experimental Blog „Sargnagelschmiede“ mit 28.000 Zeichen eindeutig die Länge jedes Zeit-Essays überschreiten würde. Was er dabei jedoch vergisst zu erwähnen ist, dass es der Ursprungsartikel mit 536 Zeichen gerade einmal auf das Niveau einer kleinen Newsmeldung bringt. Die anderen 27.464 Zeichen werden durch Kommentare gefüllt. Wie man hiermit die auf den Artikel bezogene „keep it short and simple“-Regel wiederlegen will bleibt mir ein Rätsel. Der Großteil der erbrachten Textleistung kommt schlicht und ergreifend von diskutierwütigen Lesern seines Blogs und nicht vom Autor. Die Schlussfolgerung wäre für mich daher eher, dass Blogs dann am besten funktionieren, wenn ihre Beiträge höchst kontrovers sind. Das hat dann weniger etwas mit der Textlänge, sondern etwas mit dem Inhalt zu tun. Und hier dürfte es sich lohnen lieber so kurz und schlüssig wie möglich, anstatt umständlich und auschweifend zu schreiben. Der Leser soll ja schnell zu dem Punkt des Artikels gebracht werden, wo er das Kontroverse spüren und sich darüber seine Meinung bilden kann.
„Seo ins Klo“ lautet eine weitere mutige These Jarchows. Das Search Engine Optimization gerne überschätzt wird ist nicht neu. Trotzdem halte ich es für gewagt, den Nutzen von SEO durch ein simples Alexa-Ranking in Frage stellen zu wollen. Zum einen ist die Alexa-Toolbar auf dessen Grundlage Alexa seine Zahlen berechnet in Deutschland nicht sonderlich verbreitet, zum anderen rechnet Alexa auch gerne einmal falsch. SEO kann keine guten Inhalt ersetzen, jedoch dabei helfen, dass gute Artikel im Web schneller und damit besser gefunden werden. Hätte sich Herr Jarchow einmal genauer mit den Grundlagen der Suchmaschinenoptimierung vertraut gemacht, hätte er bemerken müssen, dass SEO mehr bedeutet als eindeutige Überschriften für seine Artikel zu finden. Bei SEO geht es u.a. auch darum, dass Artikel und Webseiten erst dadruch bei Google besser gefunden werden können, wenn diese von anderen Webseiten, die von Google als hochwertig und vertrauenswürdig angesehen werden, verlinkt werden. Verlinkt wird aber gerade in Bloggerkreisen nur das, was wirklich interessant ist. Gute Blogs mit interessanten Inhalten müssen aber erst von andere Bloggern gefunden werden, allein dabei hilft SEO. Es ist also nicht „nur da wirksam, wo nichts Eigenes existiert“, sondern ein Hilfsmittel um die Wahrnehmung seines Blogs in der Öffentlichkeit zu steigern.
Jarchow hat in seinen Anstätzen sicherlich Recht. Blogs eignen sich besonders gut dafür, andere Wege zu beschreiten. Es gibt bei privat betriebenen Blogs keine redaktionelle Leitlinie, keinen Chefredakteur der über die Wichtigkeit von Artikel urteilt und auch keinen Platzmangel. Das Internet, und da liegt Jarchow richtig, ist nun einmal „unendlich“. Sorgfältiger zu recherchieren und schlüssigere Argumente zu bringen, das hätte Jarchows Kolumne aber trotzdem gut getan.